PLACE×Nordic 2024 - message
Luftaufnahme der Altstadt in Tallinn.
Nachlese message.TALKS: Do., 13.6.2024

PLACExNordic 2024 – The Place Attractiveness Conference

Das message–Duo Karl Hintermeier und Claas Bischof waren zu Gast bei der PLACExNordic in Tallinn und präsentierten bei unserem Frühstücksgespräch im Juni ihre Highlights der Konferenz.


In den hohen Norden – genauer gesagt nach Tallinn – verschlug es unsere beiden Kollegen Karl Hintermeier und Claas Bischof, um für Sie die neuesten Trends in Sachen Stadtplanung, Talent Attraction, Standortmarketing und Destinationswerbung aufzuspüren. Die PLACExNordic, ehemals „Nordic Place Branding Conference“, ist die größte Fachkonferenz zu diesen Themen im Norden und wird von der Future Place Leadership / Place Leadership Academy organisiert. Die Konferenz zieht jährlich hunderte Teilnehmer*innen aus ganz Europa an und bietet neben inspirierenden Workshops, City-Walks und Site-Visits auch die Möglichkeit sich zu vernetzen. Das heurige Thema: Reimagining Places in a World of Turmoil – Community, Purpose and Tech.Nach zwei intensiven Konferenztagen und einer Irrfahrt mit dem Rad durch die estnische Hauptstadt, schafften es unsere Auslandskorrespondenten pünktlich zum message.TALK, um die Highlights der PLACExNordics zu teilen.

Das ganze Gespräch können Sie hier nachhören, die wesentlichen Punkte haben wir für Sie zusammengefasst.

Städte für Menschen – Paradigma moderner Stadtplanung

Das Architekturbüro Gehl Architects, gegründet von Jan Gehl, einem Pionier moderner Stadtplanung, hat vielen Städten dabei geholfen, den öffentlichen Raum neu zu gestalten, um die Lebensqualität der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. So etwa in der fahrrad- und fußgängerfreundlichen Stadt Kopenhagen. Mithilfe wissenschaftlicher Methoden und digitaler Tools wird analysiert, wie der gebaute Raum unser Verhalten beeinflusst. Dabei wird bewusst der Blickwinkel vulnerabler Gruppen eingenommen, um lebenswerte Orte für alle zu schaffen, wie Liselott Stenfeldt, Leiterin der Forschungsabteilung bei Gehl Architects, berichtet.

Ein prominentes Beispiel dafür ist die schrittweise Umgestaltung des Times Square in New York zu einer Fußgänger- und Aufenthaltszone. Der Erfolg dieser Transformation zeigte sich in deutlich reduzierten Verkehrsunfällen (- 63%), Halbierung von Leerständen und um  71 % gesteigerten Umsätzen der angrenzenden Geschäfte.

Das richtungsweisende Projekt liefert damit nicht nur langersehnte Daten, um die positiven Effekte solcher Change-Prozesse frühzeitig zu kommunizieren; es zeigt auch, dass große Veränderungen ihren Ursprung in kleinen, aber mutigen Maßnahmen nehmen.

Estlands Talent Attraction Programm

Das Thema Talent Attraction ist in den nordischen Staaten bereits seit vielen Jahren auf der Agenda. Die estnische Agentur für Wirtschaft und Innovation hat eine detaillierte Customer Journey ausgearbeitet, die die emotionale Fieberkurve von Fachkräften beschreibt, wenn sie sich dazu entschließen, in ein neues Land zu ziehen. Grundsätzlich durchlaufen Expats auf ihrer Reise vier Stadien: Attraction, Reception, Intergration und Reputation. Für ein erfolgreiches Talent Attraction Programm ist es wichtig, entlang dieser Quadranten konkrete Services anzubieten.

Doch warum sollten sich junge Talente ausgerechnet für Estland entscheiden? Die Antwort liegt in den Leitwerten bzw. Stärken der Marke selbst. Estland ist bekannt für seine fortschrittliche digitale Infrastruktur und seine Führungsrolle im Bereich E-Government. Dies bietet Fachkräften nicht nur moderne Arbeitsbedingungen, sondern erleichtert auch administrative Prozesse für Einwanderer erheblich. Dank einer lebendigen Start-up-Szene und zahlreicher internationaler Unternehmen gilt Estland als richtiger Career Booster und bietet eine außergewöhnliche Work-Life-Balance inmitten einer sauberen und unberührten Natur. Und das Land gewährt, trotz geografischer Nähe zu Russland, ein hohes Maß an Sicherheit und politischer Stabilität. Als Faustregel gilt: Je weiter weg sich Fachkräfte befinden, desto wichtiger wird die Place Brand als Entscheidungsgrundlage.

Nachhaltiger Tourismus auf den Färöer Inseln

Dass die Färöer Inseln in Sachen Destinationswerbung gern einmal unkonventionelle Wege einschlagen, bewies schon die Google-Sheep-View-Kampagne, die zur viralen Sensation wurde.

Doch der wachsende Tourismus bringt auch Herausforderungen für die fragile Natur und lokale Gemeinschaften mit sich. Um dem entgegenzuwirken, entwickelte das Tourismus-Team rund um Guðrið Højgaard das innovative Volunteer-Projekt „Closed for Maintenance“. Ziel des Projekts ist, einen nachhaltigen Tourismus zu fördern, der einerseits Naturjuwele schützt und gleichzeitig das Leben der Einheimischen positiv beeinflusst.

Ganz konkret werden freiwillige Helfer*innen eingeladen, um bei der Instandhaltung touristischer Attraktionen mitzuarbeiten. Sie reparieren Zäune, pflegen Wanderwege, leben bei einheimischen Familien und nehmen an Kulturprogrammen teil. So gewinnen sie nicht nur einen authentischen Blick in das Alltagsleben der Färinger, sondern tragen aktiv zum Umweltschutz bei und stärken die Gemeinschaft. Ein unheimlich erfolgreiches Programm, das binnen 48 Stunden über 6.000 Bewerber*innen anlockte.

Estlands Weg „beyond digital“

In Sachen E-Governance, digitale Dienstleistungen und Innovation gilt Estland zurecht als Vorreiter. 99% aller Amtswege sind digital möglich. Digitale Wahlen, kostenloses WLAN und garantierter Internetzugang für alle Bürger*innen sind hier selbstverständlich. Zudem bietet Estland mit der E-Residency digitalen Nomaden und Unternehmen eine einfache und unbürokratische Möglichkeit, ihren Wohn- oder Firmensitz in Estland zu gründen und diesen digital zu verwalten.

Bemerkenswert sind auch die Entwicklungen im internationalen Standortmarketing. Ob es sich lohnt, in Estland zu investieren oder eine Firma zu gründen, verrät der „electronic investment advisor – Eia“. Das digitale Tool ist AI-gesteuert und bietet alle relevanten Informationen zur Standortperformance Estlands. Branchenspezifisch erhält man beispielsweise Auskunft über Infrastruktur, die Fachkräftesituation, mögliche Businesspartner und vieles mehr. Probieren Sie es selbst einmal aus!

In der neuen Ära des „Personal Government“ geht Estland sogar noch einen Schritt weiter. Bürger*innen werden, je nachdem in welcher Lebenssituation sie sich befinden, proaktiv Dienstleistungen angeboten und zwar auch im Gesundheitsbereich. Dank Biodatenbank können Gesundheitsbedürfnisse frühzeitig erkannt und potenzielle Risikogruppen zur Vorsorgeuntersuchung eingeladen werden. Langfristig werden dadurch die Gesundheitskosten gesenkt.

Brand Ukraine

Emotional sehr berührend und packend war der letzte Vortrag der Konferenz von Maria Lypiatska, CEO von Brand Ukraine. Sie gab Einblick in die strategische Kommunikationsarbeit der Ukraine, die sich seit dem russischen Angriff radikal verändert hat: Von der Positionierung der Ukraine als aufstrebende Nation hin zum Überlebenskampf.

Maria und ihr Team standen vor der gewaltigen Aufgabe, binnen kürzester Zeit die ersten Narrative zu formulieren und diese über verschiedene Plattformen zu verbreiten. Schnell mussten sie auf die internationale Berichterstattung reagieren und Desinformationskampagnen entgegentreten. Ein zentraler Aspekt dabei war die datengetriebene Kommunikation. Die Ukraine analysierte permanent Suchvolumina und Trends im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg und passte ihre Kommunikationsinhalte dementsprechend an. Dies ermöglichten eine zielgerichtete Ansprache und die schnelle Bereitstellung von relevanten Informationen. Der Einsatz von KI erwies sich als wertvolles Werkzeug, um den hohen Anforderungen der Geschwindigkeit gerecht zu werden, selbstverständlich mit Double-Check der Fakten.

Trotz der hektischen und herausfordernden Zeiten war es wichtig, sich in der Kommunikationsarbeit auf die Leitwerte der Marke zu besinnen. FREEDOM und die damit implizierte Verpflichtung zur Wahrheit bilden den roten Faden, an dem sich die gesamte Kommunikation orientiert.

Die Präsentation zum Download gibt es hier.

Zu den Personen

Als Chefstratege und Markenexperte hat Mag. Karl Hintermeier schon viele Marken für Städte, Destinationen und Regionen den Weg bereitet. Er berät mit Leidenschaft Städte und Gemeinden in Sachen Talent-Attraction, Innenstadtbelebung und Kommunikation. Claas Bischof, MA hat als Art Director ein besonderes Auge auf aktuelle Trends in Design und Branding. Dank seiner langjährigen Arbeitserfahrung aus Dänemark und Japan bringt er eine internationale Perspektive mit.