NORDIC PLACE BRANDING CONFERENCE
Talent Attraction in einer Post-COVID-Welt
Wie haben sich unser Lebensstil und unsere Arbeitswelt mit der Pandemie verändert? UND welche Chancen ergeben sich daraus für Städte und Regionen neue Einwohner, Fachkräfte bzw. Talente anzuziehen? Der Norden macht´s vor! Wir haben für Sie zwei inspirierende Test-Wohn-Projekte von der Nordic Place Branding Conference (NPBC) im Gepäck!
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Die NPBC ist die größte jährlich stattfindende Veranstaltung der nordischen Länder zu Standortentwicklung, Stadt- und Regionalmarketing und wurde heuer in Helsingborg, Schweden ausgetragen. Diesjähriges Thema: Die Neugestaltung von Orten in einer Post-Covid-Welt.
Dazu wurden auf der Konferenz spannende Place Branding- und Talent Attraction-Projekte vorgestellt, die auf die aktuellen Veränderungen reagieren.
Remote-Living & Remote-Working neue Trends nach der Pandemie
Mit der Pandemie haben sich unsere Lebensgewohnheiten und Arbeitsweise über Nacht verändert. Die erzwungene Isolation und das Remote-Working stellten die „nine-to-five“ Bürokultur in Frage und zeigten, dass es möglich ist, von überall und jederzeit zu arbeiten. Dies brachte mehr Flexibilität in die Vereinbarung von Familie und Freizeit und bewirkte gleichzeitig, dass Privat- und Berufsleben immer mehr miteinander verschmolzen.
Zudem führte der Wegfall wichtiger sozialer Räume wie dem Büro, öffentlichen Räumen oder kulturellen Einrichtungen dazu, dass sich die Menschen beruflich und privat isolierten. Durch die eingeschränkte Mobilität hörten sie auf zu pendeln oder zu verreisen und begannen stattdessen ihre eigenen Grätzl zu erkunden.
Gleichzeitig löste die Pandemie bei vielen Stadtbewohner*innen den Wunsch aus, aufs Land bzw. ins Grüne oder in kleinere Städte zu ziehen. Das zeigte auch eine vom schwedischen Ingenieurbüro AFRY beauftragte Studie. Demnach möchte die Mehrheit der europäischen Jugendlichen in Städten mit einer Einwohnerzahl von 100.000 oder weniger leben.
Das sind Trends, die vielen Kleinstädten und ländlichen Regionen eine historische Chance bieten, neue Menschen und Fachkräfte anzuziehen. Wie das gelingen kann, zeigen zwei Test-Wohn-Projekte aus Finnland und Schweden.
Talent Attraction Best-Practice-Beispiele
Test-Wohnen in Helsinki – „90 Day Finn“
90 Day Finn ist eine Initiative von Helsinki Partners, die inmitten der COVID-19-Pandemie ins Leben gerufen wurde. Sie ist eine Einladung an ausländische Fachkräfte, die finnische Work-Life-Balance hautnah mitzuerleben. Das Pilotprogramm startete im Herbst 2020 und bot ausgewählten Fachleuten aus der Technologiebranche, Unternehmern und Investoren ein kostenloses 90-Tage-Paket für den Umzug nach Helsinki. Dabei wurden alle praktischen Dinge wie die Vermittlung von Wohnungen, Schulplätzen, Co-Working Spaces oder Freizeitaktivitäten von Helsinki Partners übernommen.
Die Teilnehmer*innen und ihre Familien sollten sich selbst davon überzeugen, ob Helsinki wirklich hält, was es verspricht: Die Stadt mit der besten Work-Life-Balance zu sein.
Trotz minimalem Marketingbudget übertraf die Kampagne von Anfang an alle Erwartungen. Innerhalb von fünf Wochen erhielten Helsinki Partners über 5.000 Bewerbungen und die Kampagne ging viral. Die internationale Berichterstattung belief sich auf 500 Millionen Leser*innen, 2,5 Millionen Artikelaufrufe, 200.000 Videoaufrufe und 25.000 Linkklicks.
Aus allen Einsendungen wurden schließlich 13 Personen und deren Familien zum Testwohnen eingeladen. Während des Programms gründeten zwei von ihnen ihr eigenes Unternehmen und die Hälfte blieb länger als die geplanten 90 Tage. Ein Erfolg auf ganzer Linie, weshalb Helsinki Partners diesen Herbst die zweite Tranche an temporären Wahlfinnen willkommen heißt.
Hej Hemby – Wohnen am Polarkreis
„Hallo Heimat“ heißt das Test-Wohn-Projekt der beiden Gemeinden Övertorneå und Pajala im Norden Schwedens. Im Sommer scheint hier rund um die Uhr die Sonne, im schneereichen Winter das Nordlicht. Es gibt viel Platz und Natur – aber nicht ganz so viele Menschen.
Tatsächlich kämpfen die beiden Gemeinden, so wie viele kleinere Städte und ländliche Gebiete in Europa, mit Abwanderung. Denn junge Menschen zieht es in die Metropolen. Die pulsierende Stadt bietet mehr Möglichkeiten und einen attraktiveren Lebensstil. Doch mit der Pandemie könnte diese unaufhaltsame Urbanisierung ins Stocken geraten sein. In gewissen Maßen hat sie sich sogar umgedreht. Diesen Trend machten sich die beiden Gemeinden zunutze und riefen das Projekt Hej Hemby ins Leben.
Bis zu sechs Monate können interessierte Personen, die in einem familienfreundlichen Ort mit WIFI und Naturidylle leben wollen, das Leben am Polarkreis testen. Dazu wurde eine Wohn-Service Plattform aufgebaut, die Immobilienmakler*innen, Hausbesitzer*innen und potenzielle Mieter*innen miteinander verbindet. So konnten viele Leerstände, die sonst als Ferienwohnungen dienen, temporär vermietet werden.
Darüber hinaus bietet Hej Hemby auch umfassende Re-location Services an. Von der Vermittlung von Kindertagesstätten oder Schulen, bis hin zur Beratung von Gründer*innen und Unterstützung von Bewerber*innen bei der Suche nach einem neuen Job.
Unser Fazit
Oftmals zielen Talent Attraction Programme auf die permanente Umsiedelung von Fachkräften ab. Doch mit der Pandemie haben sich die Arbeitsmodelle verändert. In vielen Bereichen ist es möglich remote zu arbeiten und diese zeitliche und räumliche Flexibilität möchten viele (Young) Talents und Experts nicht mehr missen. Diese neuen Trends des Remote-Livings und Remote-Workings müssen Städte und Regionen bei der Anwerbung von Fachkräften mitbedenken. Das bedeutet auch diejenigen anzuziehen und willkommen zu heißen, die ganz oder teilweise aus der Ferne arbeiten wollen. Viele Wirtschafstandorte reagieren darauf, indem sie in Infrastrukturen investieren oder einen besonderen Rechtsstatus für „digitale Nomaden“ schaffen. Ebenso müssen Talent Attraction Programme Services für Familienangehörige beinhalten.
Die vorgestellten Projekte zeigen auch, dass eine permanente Umsiedelung nicht notwendigerweise das primäre Ziel sein muss. Vielmehr geht es darum, Zuzüglern ein einzigartiges Erlebnis zu bieten. Dabei sind die menschliche Note und der persönliche Kontakt essenziell, um eine gute Erfahrung zu machen und die Teilnehmer*innen als Markenbotschafter*innen zu gewinnen.
Last but not least ist die Wahl des richtigen Zeitpunkts ein wichtiger Erfolgsfaktor. 90 Day Finn fiel genau in eine Phase, wo das Reisen in Europa sehr schwierig war. Die Botschaften waren geschlossen und Visa-Anträge konnten nicht bearbeitet werden. Die Stadt Helsinki nahm das zum Anlass, um über Wege nachzudenken, Fachkräfte für einen kürzeren Zeitraum visumsfrei ins Land zu bringen. Dass die Kampagne viral ging, hing auch damit zusammen, dass sich viele Menschen nach strengen Lockdowns danach sehnten, wieder zu verreisen und mit dem neuen Fernarbeitsmodell war dies auch möglich.
Ein umfassendes Re-Location-Service für Zuzügler*innen mit Beratung in den Bereichen Wohnen, Leben und Karriere bietet auch das Talente Programm der LEADER-Region Eisenstraße get the MOST. Im Rahmen unserer message.TALKS stellen wir Ihnen das Projekt näher vor. Diskutieren Sie mit und melden Sie sich jetzt zu unserem kostenlosen Web-Talk an.