Neue Trends aus Helsinki - message
Neue Trends aus Helsinki Stadtansicht aus Helsinki
Nachlese message.TALKS: DO., 15.6.2023

Die neuen Trends aus Helsinki:
Nordic Place Branding Conference

Im Gespräch: Mag.a Lida Moldovan und Claas Bischof, MA, message Urban Story Design


Neue Trends aus Helsinki mit Claas und Lida

Die Nordic Place Branding Conference ist eine der größten Fachkonferenzen zu den Themen Place Branding, Talent Attraction, Standortentwicklung und Destinationswerbung. Ursprünglich als Austauschplattform für den skandinavischen Raum gedacht, hat sich die Konferenz über die Jahre gemausert und heißt nun Teilnehmer*innen aus ganz Europa willkommen.

In diesem Jahr fand die Nordic Place Branding Conference in Helsinki statt – mit mehr als 250 Teilnehmer*innen aus über 20 Ländern. Mit dabei waren auch unsere Kommunikations- und Brandingexpert*innen Mag.a Lida Moldovan und Claas Bischof, MA. In unserem letzten message.TALKS haben sie ihre Highlights der Konferenz präsentiert.

NPBC – Good Places for a Good Life

Die heurige NPBC stand unter dem Motto „Good Places for a Good Life” – also gute Orte für ein gutes Leben. Gastgeber waren neben der Stadt Helsinki Business Finland und die Place Leadership Academy, die die Konferenz jedes Jahr organisiert.

Gerade im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte und junge Talente geht es längst nicht mehr nur darum, Talente anzuziehen, sondern diese auch zu halten. Hier können wir sehr viel von der Happiness-Hauptstadt Helsinki lernen. Nicht nur wurde Finnland zum sechsten Mal in Folge zum glücklichsten Land der Welt gewählt, Helsinki besticht auch durch eine sehr gute Work-Life-Balance und zählt zu den sichersten und familienfreundlichsten Städten weltweit – mit der zweithöchsten Gleichstellungsrate.

Helsinki – It’s a Good Life
Wertebasierte Marken und Marketing – oder wie man ein stimmiges Storytelling im City Branding erreicht.

Wenn man eine Stadt beschreibt, denkt man zunächst an das Stadtbild. Was gibt es zu sehen und zu tun, welche geografischen Gegebenheiten und Landmarks gibt es? Dieses WAS ist allerdings nicht das, worauf es ankommt. Emotional viel stärker wirkt das WIE. Also wie erlebt man die Stadt? Wie fühlt es sich an, dort zu sein, und welche Emotionen nimmt man mit? 

Die Hauptstadt hat für sich fünf Leitwerte definiert, entlang derer die Story der Stadt erzählt wird. Das ist zum einen die Freiheit, so zu leben, wie man gerne leben will. Das beinhaltet auch Offenheit gegenüber anderen Lebensweisen und Kulturen. Das Wild-Urbane steht für das städtische Leben wie auch für die Nähe zur Natur. Helsinki ist auch schräg und ungewöhnlich. Eine Stadt, die etwas wagt und überrascht. Sie ist aber auch funktional. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind pünktlich, die Verwaltung ist effizient und serviceorientiert. Und ein ganz wichtiger Aspekt in allen nordischen Ländern: Helsinki ist nachhaltig.

Ausgehend von diesem Markenkern werden die Erlebnisse – das WAS – definiert, um die Story der Stadt angepasst an unterschiedliche Zielgruppen authentisch zu erzählen.

Helsinki erleben

Beispiele für solche Erlebnisse, die die Leitwerte der Stadt aufgreifen und transportieren, reichen von der Webseite für Restaurantempfehlungen bis zur Helsinki-Biennale. Hier hat man sich bewusst dafür entschieden, die Kunstexponate in die Natur zu verlagern. Die Leitwerte frei, wild-urban und außergewöhnlich finden sich im Ausstellungskonzept wieder, ebenso wie das Thema Nachhaltigkeit, da Besucher*innen umweltschonend zu den Ausstellungsorten gebracht werden.

Die Biennale lädt die Besucher*innen dazu ein, Natur und Kultur auf den umliegenden Inseln Helsinkis zu erleben. © City of Helsinki

Eine Veranstaltung wie das Tuska Heavy Metal Festival passt sicher nicht zu jedem Ort, aber zu Helsinki passt es perfekt. Freiheit ist hier das zentrale Thema. Auch bietet das Festival Platz für „schräge“ ungewöhnliche Typen, es ist bunt, es ist besonders und urban. Die Leitwerte kommen aber nicht nur bei der Bespielung der Stadt zu tragen, sie werden auch in der Stadtplanung und Verwaltung gelebt. So funktioniert die neue Hauptbücherei Oodi als Treffpunkt und erweitertes Wohnzimmer für die Bevölkerung, hat ausgedehnte Öffnungszeiten und bietet Platz nicht nur zum Lesen und Studieren, sondern auch zum Spielen. Ein multifunktionaler Raum, in den man einfach reinkommen und sich wohlfühlen kann.

Oodi das verlängerte Wohnzimmer der Finn*innen. © City of Helsinki 

Finland Works
Wie Finnland Tourismus und Talent Attraction zusammenbringt.

Wie viele andere Länder leidet auch Finnland unter Fachkräftemangel. Das Land ist dünn besiedelt mit einem geringen Bevölkerungswachstum und einer sehr niedrigen Einwanderungsrate. Viele verbinden mit Finnland Vorurteile wie eisige Kälte, unfreundliche, verschlossene Menschen, Dunkelheit und Langeweile. Für junge Talente und Fachkräfte aus dem Ausland nicht unbedingt ein Magnet.

Mit diesen negativen Vorurteilen wollte Business Finland aufräumen, indem „Good News“ über Finnland mit einem internationalen Publikum geteilt werden. Strategisch hat man dazu die einzelnen Kommunikationsabteilungen, die sich mit Fachkräften, Tourist*innen, Investor*innen und Filmproduzent*innen beschäftigen, zusammengefasst, um so Synergien besser nutzen zu können.

Die Grundidee dabei war, dass wenngleich sich die Zielgruppen unterscheiden, die Botschaft und Zielsetzung immer gleich bleiben. Es geht darum, die Marke Finnland nach außen hin bekannt zu machen und die Stärken, die gemeinsam mit staatlichen und privaten Akteur*innen definiert wurden, besser zu kommunizieren. Denn schließlich können aus Tourist*innen in weiterer Folge auch Zuzügler*innen oder Investor*innen werden.

Bildung, Gleichheit und Know-how, Natur und nachhaltige Entwicklung, Funktionalität und Wohlbefinden sowie Happiness wurden als Stärken des Landes herausgearbeitet. Wobei letzterer eine übergeordnete Funktion zukommt. Glücklichsein ist das Leitthema, die zentrale Botschaft, die Business Finland in der Kommunikation mit allen Zielgruppen übernommen hat.

Um die Wirkung einzelner Marketingmaßnahmen in den unterschiedlichen Abteilungen zu erhöhen und die Kommunikation effizienter zu gestalten, wurde die „Finland Toolbox“ geschaffen. Eine Kreativ-Plattform, die neben den Brand Guidelines auch Bild- und Videomaterial, Textbausteine und vieles mehr für die einzelnen Abteilungen und Partner*innen bereitstellt.

Die „Finland Toolbox“ stellt Content für alle Interessierten kostenlos zur Verfügung. © Business Finland

Natürlich werden auch Contentpläne miteinander geteilt und die Inhalte so aufbereitet, dass sie auf den drei Hauptkanälen Work in Finland, Visit Finland und Good News from Finland, verwendet werden können. Mit den Unternehmen und Stakeholdern wurde eine Botschaften-Hierarchie ausgearbeitet. Nach außen hin kommuniziert man als Finnland mit der gemeinsamen Signatur #FinlandWorks.

Awareness-Kampagne – Find your inner Finn

Mit der Kampagne #findyourinnerfinn gelang es Finnland auf beeindruckende Weise, die Bekanntheit des Landes weltweit zu steigern. Als glücklichstes Land der Welt wollte man das Geheimnis eines glücklichen Lebens in Form einer Masterclass weitergeben. Die Kampagne richtete sich an internationale Gäste, Medien und Influencer*innen, die sich für den viertägigen Kurs zu Themen wie Natur und Lifestyle, Gesundheit, Design sowie Essen und Wohlbefinden bewerben konnten. Die Masterclass inklusive Unterkunft in einem Luxus-Resort war für die Teilnehmer*innen kostenlos. Binnen kürzester Zeit erhielt man mehr als 150.000 Bewerbungsvideos, in denen die Bewerber*innen erklärten, warum sie meinen, insgeheim ein Finne bzw. eine Finnin zu sein. Die mediale Aufmerksamkeit war immens. In den sozialen Netzwerken ging die Kampagne mit mehr als 7,5 Millionen Views viral. Das war sicherlich auch dem geschuldet, dass zeitgleich der „World Happiness Report 2023“ veröffentlicht wurde.

Die Stadt als Spielplatz
Mit kinderfreundlicher Stadtplanung und Design bessere Orte für alle schaffen.

Einen der Trends, den wir auf der NPBC beobachten konnten, ist, dass Talent Attraction zunehmend zum Thema Talent Retention – also Talentebindung – wird. Wir müssen also Städte schaffen, die nicht nur für Fachkräfte attraktiv sind, sondern auch für deren Familien. Der Ansatz einer kinderfreundlichen Stadtplanung und entsprechendem Stadtdesign scheint hier besonders erfolgversprechend zu sein.

Bei dem Thema kinderfreundliche Städte geht es im Grunde darum, spielbare Plätze zu schaffen, in denen sich Kinder frei bewegen können – im Gegensatz zu abgeriegelten Spielplätzen. Ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit zeigt, dass der Bewegungsradius von Kindern seit den 50er Jahren (1,5 km) bis heute (200m) immer kleiner wird. Immer weniger Kinder dürfen draußen spielen oder allein zur Schule gehen. Das liegt natürlich an unterschiedlichen Faktoren wie dem Autoverkehr, dem Mangel an geeigneten Flächen, schwer erreichbaren Spiel- und Sportplätzen oder schlichtweg Angst vor Kriminalität.

Rotterdam: Von der Wirtschaftshochburg zur Familienstadt

Ein Best-Practice-Beispiel, wie eine kinderfreundliche Stadt aussehen kann, ist Rotterdam. Bis vor wenigen Jahren galt die Stadt für Familien als unattraktiv. Das wollte man nicht auf sich sitzen lassen und hat ein mittlerweile 12-jähriges Projekt gestartet, um verschiedene Stadtgebiete vor allem für Kinder lebenswerter zu gestalten. Es wurden insgesamt vier Handlungsfelder definiert, die von unterschiedlichen Maßnahmen begleitet wurden. Zum einen das Schaffen von sicheren Straßen durch verkehrsberuhigende Maßnahmen, Schulstraßen sowie Rad- und Fußwege. Zum anderen die Gestaltung des öffentlichen Raums etwa durch Parks, Sportplätze und Spielräume. Auch wurden lebendige Quartiere mit Geschäften, Vereinen und Bildungseinrichtungen errichtet sowie adäquate Wohnräume für Familien mit Kindern geschaffen.

 Rotterdam wird für Familien immer attraktiver, Spielstraßen und Wasserspiele machen die Stadt für Kinder zum Erlebnisraum. © Phil Rogers

Wichtig dabei ist das lokale Denken, denn man kann mit vielen kleinen Maßnahmen im eigenen Grätzl schon unheimlich viel erreichen. Plant man als Stadt, Gemeinde oder Quartier eine solche Umgestaltung, wäre ein erster wichtiger Schritt bei der Bestandserhebung, Kinder ihre Umgebung zeichnen zu lassen. So lässt sich der Handlungsbedarf leichter bestimmen. Temporäre Aktionen, wie etwa Spielstraßen, lassen Rückschlüsse zu, wie gut das Angebot später angenommen wird. Das ist hilfreich, bevor man umfassende Umbaumaßnahmen setzt.

Unsere Quintessenz: Stadtdesign für Kinder schafft gute Städte für alle und bringt Vorteile für Gesundheit, Wirtschaft, Gemeinschaft, Natur – Stichwort klimafitte Stadt –, Sicherheit und die Quartiersentwickung.

Salla 2032
Oder wie eine kleine Kommune in der Arktis die internationale Diskussion zum Klimawandel anheizte. 

Salla ist eine kleine Kommune im Osten von Lappland nahe der russischen Grenze. Am nördlichen Polarkreis gelegen, kann es hier im Winter bis zu –50C° bekommen. Das Städtchen, das selbst von sich behauptet mitten im Nirgendwo zu sein, bietet Heimat für 3.400 Menschen und 10.000 Rentiere. UND was man vielleicht nicht unbedingt vermutet: Salla ist eine internationale Touristendestination. Beinahe alle Bewohner*innen leben vom Tourismus. Ein übermäßiges Marketingbudget hat man allerdings nicht, daher war es schon immer wichtig, Dinge einfach anders zu machen.

Salla mitten im Nirgendwo gilt bei Fernreisenden als beliebte Urlaubsdestination. © NaturEva Photography Oy.

Und so kam es, dass sich das kleine Städtchen Salla für die Olympischen Sommerspiele 2032 bewarb. Ein Marketing-Gag mit einer überaus dringlichen und ernsten Botschaft – dem Klimawandel.

Die Idee stammte von der brasilianischen Agentur Africa Agency, die gemeinsam mit dem House of Lapland Salla zum Gesicht der Kampagne erklärten. Die Dreharbeiten zum Einreichungsvideo starteten 2020 unter Beteiligung der Bevölkerung. Es wurden eine Landingpage, ein offizielles Bewerbungsbuch, Goodies mit Kesa, dem Maskottchen, und vieles mehr produziert. Aufgrund der Pandemie wurde die Kampagne allerdings erst ein Jahr später unter beeindruckender medialer Aufmerksamkeit gelauncht. 24 Stunden später lüftete man das Geheimnis. Bei der Salla-2032-Kampagne ging es nicht um die Bewerbung als Austragungsort der Sommerspiele, sondern um die Auswirkungen des Klimawandels. Diese treffen Salla noch viel stärker als andere Regionen. Schon jetzt ist es hier um 2,5 Grad wärmer, was verheerende Auswirkungen auf Flora und Fauna hat und die Existenzgrundlage der Bewohner*innen gefährdet.

Die Kampagne wurde von Salla 2032 zu #SaveSalla #SavethePlanet und ging mit einer Reichweite von 250 Millionen User*innen auf Social Media viral. Mehr als 900 Artikel in über 118 Ländern, Radio und TV berichteten über das kleine Städtchen im Nirgendwo. Auf Twitter war Salla über drei Wochen lang die am häufigsten erwähnte Stadt mit über 7,5 Milliarden Views. Die globale Diskussion um den Klimawandel stieg um das 8-fache an. Ein großartiger Erfolg für einen sehr traurigen Anlass.