Die weibliche Stadt - message
Nachlese message.TALKS: Do., 9.3.2023

Die weibliche Stadt

Am Tag nach dem internationalen Frauentag sprachen wir mit Uschi Kainz, Kommunikationsleiterin der Wirtschaftsagentur Wien, über den „Female Factor“ bei der Positionierung von Städten.

LESEZEIT: 2 MIN.


Die Weibliche Stadt Vortragende Uschi Kainz

Uschi Kainz ist mit ihrem Team für die Gesamtkommunikation der Wirtschaftsagentur Wien verantwortlich. Zuvor war sie als langjährige ORF-Journalistin im Landesstudio Wien tätig. Ihre Beiträge waren auch in der ZIB, bei Ö3 und Ö1 zu hören bzw. sehen.

Uschi Kainz ist auch mit der internationalen Positionierung des Wirtschafts- und Innovationsstandortes Wien betraut. Wir freuen uns, dass sie uns für eine inhaltsintensive und gleichwohl unterhaltsame Stunde mit Insights, Erfahrungsberichten, Tipps und Tricks zur Verfügung stand. Gemeinsam mit Karl Hintermeier erörterte sie anschaulich, warum der „Female Factor” im Wettbewerb der Städte um hochqualifizierte Fachkräfte, Unternehmensansiedlungen oder Start-ups immer wichtiger wird.

Hier die wesentlichsten Aspekte des message.TALKS zusammengefasst:

„The Female Factor“ als Wettbewerbsfaktor

Gleichstellung, Gendermainstreaming und bewusste Diversitätsförderungen sind nicht nur gesellschaftliche Wertehaltungen. Frauen in Spitzenfunktionen, in technischen Berufen, als Gründerinnen von Unternehmen – all das sind auch Wettbewerbsfragen für den Wirtschaftsstandort. Um für Frauen einen attraktiven Ort zum Arbeiten und Leben zu schaffen, braucht es ganztägige Kinderbetreuung, kurze Wege für die wichtigsten Erledigungen, ein gutes Mobilitätsangebot und nicht zuletzt ein sicheres Umfeld. Dass diese Faktoren speziell weiblich konnotiert sind, liegt daran, dass Frauen noch immer den Großteil der Familien- und Care-Arbeit leisten – aber natürlich fühlen sich auch Männer in solchen Städten wohl.

In der Gleichstellung gibt es übrigens ein klares Stadt-Land-Gefälle. Der vom Städtebund in Zusammenarbeit mit SORA entwickelte Gleichstellungsindex nimmt dazu alle Städte und Gemeinden in Österreich genauer unter der Lupe. Und hier zeigt sich klar: Je urbaner das Umfeld ist, desto besser die Gleichstellung. Wien nimmt unter Österreichs Städten den ersten Platz ein und gilt als frauenfreundliche Stadt – auch im internationalen Vergleich. Aber auch hier gibt es einen sehr hohen Teilzeitanteil bei weiblichen Beschäftigten. Der größte Aufholbedarf besteht allgemein in der (Klein-)Kinderbetreuung – und in der Repräsenation der Gemeinden: Von den insgesamt 2.093 Gemeinden werden gerade mal 214 von Bürgermeisterinnen geführt. Bei den Gemeinderatsmitgliedern beträgt der Frauenanteil ebenfalls bescheidene 24%. Als Positivbeispiel bei Frauen in gemeindeinternen Führungspositionen sticht der Bezirk Güssing hervor: mit 50% weiblichen Amtsleiter*innen.

Landkarte Österreich nach politischen mit Kennzeichnung des Gleichstellungsindex

Der SORA-Gleichstellungsindex für österreichische Städte und Gemeinden zeigt einen Gesamtindex von 51. Österreich ist also erst auf halbem Weg. Besonders bei der Kleinkinderbetreuung und der Repräsentation von Gemeinden (durch Bürgermeister*in, Gemeinderatsmitglieder und Amtsdirektor*innen) gibt es großen Aufholbedarf.

„The Female Factor“ in der Stadtkommunikation: Wie weiblich ist Ihre Stadt?

Der entscheidende Teil ist natürlich, dass das „Produkt Stadt“ für Frauen passen muss. Aber gerade in der Kommuniktation von Städten geht es sehr viel um Repräsentanz, Bilder und Sprache. Was können also die Kommunikations- und Marketingabteilungen einer Gemeinde tun, um die weibliche Stadt zu promoten?

Beginnen wir mit einer Bestandsaufnahme: In den Medien bzw. in der Berichterstattung kommen Frauen nur zu 29,3% vor. Es ist aber wichtig, Frauen in ihrer Vielfalt in unterschiedlichen Funktionen zu zeigen. Die Bilder, die gesehen werden, wirken. Es kommt also darauf an, in welcher Funktion und Art und Weise Frauen gezeigt werden. Hier gibt es meist einen Gender-Bias: Männer werden aktiv dargestellt, Frauen passiv.

Selbsttest für Städte/Gemeinden:

Machen Sie eine Mystery-Tour durch Ihre Kommunikationskanäle (Social-Media, Website, Stadtzeitung, Newsletter, Google-Bildersuche zu Ihrer Gemeinde etc.):
• Wie oft kommen Frauen vor? Machen Sie ruhig eine Stricherlliste!
• In welchen Rollen werden Frauen gezeigt? In welchen kommen Männer vor?

Wahrscheinlich müssen Sie sich auch bei Ihrer Stadt einen Gender-Bias eingestehen. Die Tipps für ein ausgeglicheneres Bild von Uschi Kainz und Karl Hintermeier:

  • Zeigen Sie Frauen bewusst in all ihren Funktionen und Rollen, speziell auch als Macherinnen: als Digitalexpertin, Forscherin, als Role-Model in eher untypischen Frauenberufen.
  • Holen Sie Frauen in aktiven Rollen auf die Bühne – bei Pressekonferenzen, Veranstaltungen der Stadtgemeinde usw.; als Rednerinnen, Expertinnen, Verantwortliche.
  • Die Vorarbeit dazu: Bauen Sie einen Pool an Frauen auf, nutzen Sie entsprechende Netzwerke und holen Sie sich auch externe Expertinnen, zum Beispiel aus dem Pool von femtech.

„The Female Factor“ in der Sprache

Bilder sind das eine – die verwendete Sprache zählt mindestens ebenso viel. Sprache ist der erste Schritt, um Frauen sichtbarer zu machen. Das Thema Gendern wird oft heiß diskutiert; je heißer die Diskussion, desto weiter geht sie meist am eigentlichen Thema einer genderadäquaten Sprache vorbei. Uschi Kainz empfiehlt bevorzugt die Nennung beider Formen oder die Verwendung neutraler Bezeichnungen. Gerade in der gesprochenen Sprache sind Binnen-Is, das Gender-Sternchen oder auch der Unterstrich (zur Inklusion nicht-binärer Menschen) oft schwer zu erfassen, weil es noch nicht im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen ist. Wir verwenden in unseren Magazinbeiträgen meistens das *, manchmal auch beide Formen – jedenfalls möglichst bewusst eine sprachliche Abbildung der Realität.
Warum wir das tun und empfehlen?

  • Gendergerechte Sprache ist Ausdruck einer zeitgemäßen Haltung.
  • Die verwendete Sprache ändert auch unser Denken, die Bilder im Kopf, macht bewusster, dass es z.B. durchaus viele Ärztinnen gibt und auch den einen oder anderen Volksschullehrer.
  • Öffentliche Einrichtungen – und damit auch (Stadt-)Gemeinden – haben sich zu einer gendergerechten Sprache verpflichtet.

Frauenquote vs. Quotenfrau

Auch das kontroverse Thema Frauenquote kam beim message.TALKS „Die weibliche Stadt“ zur Sprache. Als Best-Practice-Anwendung für eine Quotenregelung nennt Uschi Kainz die Beteiligung bei Förderwettbewerben: Wenn eine gewisse Beteiligung von weiblichen Mitwirkenden Vorgabe ist, reichen erwiesenermaßen auch mehr Frauen ein bzw. bewerben sich mehr Projekte mit entsprechender weiblicher Beteiligung. Eine Quote erhöht also die Sichtbarkeit weiblicher Spitzenleistungen; und signifikant mehr Frauen stellen sich dem Wettbewerb.

„The Female Factor“ – Q&As
Zum Abschluss des Webtalks gab es noch eine Runde an Fragen und Wortmeldungen – mit praktischen Tipps, wie die eigene Stadt auf dem Weg zu einer erfolgreichen weiblichen Stadt unterstützt werden kann.
  • Auch Frauen sagen: So etwas – es ging um Vernetzungsplattformen – brauchen wir nicht. Wir wollen uns nicht in den Vordergrund stellen. Tipp der Expertin: Arbeiten Sie mit konkreten Themen, die die Frauen in der Region betreffen, speziell am Beginn. Suchen Sie aktiv nach lokalen Role-Models, die aktiv werden auf dieser Plattform. Und geben Sie nicht auf!
  • Tipp einer Teilnehmerin, die immer wieder mit Arbeitskreisen zu tun hat, wo nur Männer vertreten sind: Wählen Sie ein bis zwei Männer aus, die sich in die Rolle der Frau(en) versetzen. Das kann zu erhellenden Ergebnissen führen!
  • Gender vs. Diversity – Gender und Diversity: Gender- und Diversity-Programme bzw. Maßnahmen ergänzen einander. Eine Entweder-oder-Sichtweise ist nicht angebracht. Prosperierende Wirtschaftsstandorte haben weltweit eine hohe Diversity-Rate, sowohl was Herkunft betrifft als auch Genderidentitäten. Österreich hat hier Nachholbedarf. Es mangelt ohnehin an Fachkräften, die Rot-Weiß-Rot-Karte schreibt (noch) sehr rigide Bedingungen vor. Dabei gäbe es ein großes Potenzial z.B. unter zugewanderten Türkinnen. Laut Uschi Kainz braucht es kreative Programme, um dieses Potenzial zu heben – und praktikablere Bestimmungen zur Erlangung der Rot-Weiß-Rot-Karte.
  • Auch das gibt es: Die Gartenstadt Tulln sieht sich manchmal mit dem Vorwurf konfrontiert, zu einseitig weiblich zu sein, also mehr Frauen als Männer zu zeigen. Was machen? Die Tullner*innen drehen die Geschichten um, lassen Männer klassische weibliche Tätigkeiten ausüben und umgekehrt. Mit dem schönen Effekt, dass speziell das Gartenthema als ein Thema des Miteinanders erlebbar wird.